Westlicher Obertongesang
Der westliche (okzidentale) Obertongesang ist eine innovative, künstlerisch ausgerichtete Gesangstechnik aus Europa und Nordamerika. Der Stil unterscheidet sich von traditionellen ethnischen Stilen durch folgende Merkmale:
- Existiert erst seit 1968, gehört zur Neuen Musik.
- Der Stimmansatz ist die klassische Modalstimme.
- Er kann polyphon gesungen werden (gleichzeitig verschiedene Melodien mit Oberton und Grundton).
- Er entwickelt sich stetig weiter, zählt zu experimentellen Vokaltechniken.
Mehr zur Gesangstechnik findest Du unter Was ist Obertongesang?.
Mehr über die möglichen Klänge findest Du unter Komponieren.
Westlicher Obertongesang entstand Ende der 1960er in Europa und Nordamerika in der Avantgardemusik. Obertongesang kommt also nicht aus der Mongolei, wie oft behauptet wird. Er unterscheidet sich markant durch Klang und musikalische Ausrichtung von ethnischen Stilen:
- In der westlichen Obertontechnik wird die „normale“ Modalstimme verwendet.
- Melodien und Harmonik orientieren sich an der westlichen Musikkultur.
- Ausgeprägte Polyphonie ist ein Merkmal westlicher Kultur (bei den Xhosa und den Dani gibt es zweitönige Grundmelodien).
- Obertongesang gehört zu den experimentellen Vokaltechniken und wird solistisch und chorisch zur Entwicklung neuer Klangfarben eingesetzt.
- Westlicher Obertongesang steht für keine definierte Musikrichtung. Er wird in vielen Genres eingesetzt.
Seit Ende der 90er vermischen sich die Quellen der Obertonmusik. Jüngere westliche Obertonsänger haben oft das konkrete Ziel, asiatischen Kehlgesang zu immitieren. Andere mischen die Gesangstechniken und kreieren eigene Stile. Mongolische Musiker übernehmen westliche Elemente der Rock- und Popmusik.
Westlich klassisch orientierte Komponisten unterscheiden in der Regel zwischen westlichem Obertongesang und asiatischem Kehlgesang und verwenden entweder das eine oder das andere. Nori Jakoby verarbeitete z. B. in seiner Trilogie „Jerusalem Dream“ beide Stile nebeneinander.
Die deutsche klassische Musikszene war lange Obertongesang gegenüber zurückhaltend, obwohl der bedeutende deutsche Komponist, Karlheinz Stockhausen, ihn erfunden hat. Ursache ist möglicherweise, dass viele Laienobertonsänger den musikalischen Anspruch hinter die meditative Wirkung zurückstellen. Das rückt die Gesangstechnik fälschicher Weise in die Nähe der Esoterik. Ein musikalisches Niveau entwickelt sich natürlich besser, wenn Profimusiker sich mit der Kunst auch im akademischen Kontext auseinandersetzen.
In Deutschland fehlen Lehrveranstaltungen für Obertongesang an Musikhochschulen. Das Ausland ist uns da voraus. Die stärkste Enwicklung kommt dennoch von Musikern aus Deutschland. Vermutlich muss die Entwicklung hiezulande, wie so häufig, erst reimportiert werden, um Anerkennung zu erhalten. Rundfunkchöre in Skandinavien und Baltikum haben seit einigen Jahren Obertongesang in ihrem Repertiore und führen Werke hohen Niveaus auf.
Historische Entwicklung
Erstaunlicher Weise wurde der Obertongesang im Okzident erst Ende der 1960er Jahre entdeckt. Obwohl die anatomische Voraussetzung – der frei formbare Rachenbereich – und damit die Möglichkeit, Obertöne zu singen, einige hunderttausend Jahre alt ist. Hier einige Meilensteine, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
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