Formant als Melodieinstrument
Gesangsphonetik von Sprechphonetik zu unterscheiden ist nicht neu . Neu ist die Hör- und Betrachtungsweise der Vokalfarbe als „Melodie der Klangfarbe“. Wenn man beginnt, Obertöne in der Vokalfarbe einzeln zu hören, werden Vokale als Tonpaare gehört und nicht mehr nur als Klangfarbe.
Experimente mit Laien- und Profichören zeigen, dass die in der Vokalfarbe enthaltene Toninformationen auch dann die Intonation beeinflussen, wenn sie nicht bewußt wahrgenommen werden. Die Toninformationen stammen vom ersten und zweiten Formanten, wobei der zweite Formant einen deutlich stärkeren Effekt zeigt.
Obertöne werden normalerweise aus zwei Gründen nicht gehört: 1. Die Wahrnehmung von Vokalen ist in Bezug auf Formanten flexibel. Wir hören den gleichen Vokal, auch wenn die Formanten eine Quinte oder mehr vom Mittelwert abweichen. 2. Die Sänger sind in der Wahrnehmung von Obertönen nicht trainiert und hören daher nur auf Klangfarben.
Chorsänger müssen zuerst lernen, Obertöne bewußt zu hören, um ihre Formanten tongenau singen zu können. Danach lernen sie Techniken, mit denen der zweite Formant gezielt gestimmt wird.
Wenn Chorsänger ihre Formanten innerhalb einer Stimmgruppe synchronisieren, erzeugen sie Homogenität. Da für jeden Vokal mehrere Positionen der Formanten möglich sind, kann der Dirigent solche Teiltöne hervorheben, die in den musikalischen Kontext passen und zugleich andere Stimmen stabilisieren. Die Resultate sind:
- Homogenität wird durch einheitliche Formanten erzeugt.
- Reine Intonation orientiert sich an Obertönen in Vokalen.
- Gehör und Motorik der Sänger wird verfeinert.
- Klangfarbe wird komponierbar.
Lieber Wolfgang,
Du hattest mir vor längerer Zeit Dein Diagramm gegeben „Gesangsphonetik 2015“. Jetzt finde ich Muße mich damit intensiver zu befassen. Da ich weiß, dass Du Wahrheit ganz gut vertragen kannst: Ich verstehe das immer noch nicht.
Es gibt in Deinem Diagramm „Gesangsphonetik 2015“ eine X-Achse und eine Y-Achse jeweils mit Klaviatur und dann in die Stimmlagen SATB, nochmals mit Tonhöhen. Jetzt schaue ich auf deine website (Vortrag von Wolfgang Saus, 10. Stuttgarter Stimmtage, 10. – 12. Oktober 2014). Ich sehe in der ähnlich wiein „Gesangsphonetik 2015 angelegten Grafik dieser Website, dass im Idealfall z.B. der 1. Formant mit dem 4. Oberton übereinstimmen muss. So muss ich jetzt noch mal schlau machen, was der Unterschied zwischen Formanten und Obertönen ist. Ansonsten muss ich mich auch noch mal mit der Lautschrift IPA befassen, die ich selten benutzt habe und die wir auch im Chorleiterstudium an der Düsseldorfer Musikhochschule nicht kennengelernt hatten, denn da lief doch leider manches nur auf der Basis des Wissens unseres damaligen Chorleitungsprofessors aus der Zeit 1976-82. Sehr schade, allerdings hatte der andere Qualitäten und das habe ich an ihm geschätzt.
Vermutich finde ich dann nach weiterem Studium die Lösung für mein derzeitiges Unverständnis. Bin ja noch jung und lernfähig!!
Liebe Grüße aus dem jetzt sehr ruhigen Aachen
Lutz
Lieber Lutz,
meine Gesangsphonetik ist, zugegeben, für Musiker nicht leicht nachzuvollziehen (auch für Wissenschaftler nicht), dafür aber umso mächtiger. In meinen dezidierten Gesangsphonetik-Workshops lernt man Schritt für Schritt mit der Schablone umzugehen und kann dann nicht nur die Intonation und Homogenität in Chören steuern, sondern vor allem Solosänger lernen, die Tragfähigkeit der Stimme mit nur ein paar Millimetern Zugensverschiebung drastisch zu verbessern.
Ich zeige es Dir gern mal in einer Video-Konferenz, wenn Du magst.